
Als ich gestern Morgen auf dem Markt mein Fahrrad parkieren wollte und mich schwungvoll vom Sattel erhob, stand ich plötzlich mit dem rechten Fuss barfuss da. Der Zehentrenner meines Flipflops hatte sich von der Sohle gelöst. Was ich also hatte, war nur noch ein Flip, der leider nicht mehr floppt.
Ich radelte also barfuss zum nächsten Decathlon, blinzelte dabei in die Sonne und spürte den Wind in den Haaren. Ein perfekter Sommermorgen, dachte ich. Zurück zu Hause bereitete ich mein Mittagessen zu. Ich packte den Parmesan aus dem Kühlschrank. Der Käse rutschte mir aus der Hand, fiel zu Boden und verteilte sich in grossen Flocken auf den frisch gereinigten schwarzen Kacheln. «Käseschnee!», dachte ich und musste schmunzeln. Nach dem Mittagessen schnappte ich mir meine Tennistasche, um mit einem Freund eine kleine Runde zu spielen. Doch als ich vor meinem Auto stand, merkte ich, dass ich meine Schlüssel nicht mehr hatte. Ich durchsuchte erfolglos meine Tasche und eilte dann zurück. Die Zeit war knapp, ich klingelte ich mich durchs Haus und hoffte, dass mich jemand hinein lässt. Zum Glück war meine nette Nachbarin zuhause. Mein Schlüssel baumelte wie vermutet an meiner Wohnungstüre, wo ich ihn vergessen hatte.
Objektiv betrachtet lief an diesem Freitag vieles schief – keine grossen Katastrophen, aber Dinge, die einen aus der Balance bringen können. An anderen Tagen hätte ich mich genervt oder wenigstens einmal leidenschaftlich geflucht. Aber an diesem Tag? Nichts dergleichen. Ich war völlig entspannt, fast zen. Woran das liegt? Ich kann es nicht genau benennen.
Da ist zum einen die Sonne, die einfach so vieles besser macht. Der Sommer ist zurückgekehrt und jeder Tagesbeginn wirkt dadurch so viel freundlicher. Vielleicht ist es aber auch zyklusbedingt. Meine Freundin S. meinte neulich, sie überlege sich manchmal, wie ihr Leben wäre, wenn sie sich immer so fühlen würde wie in der Follikelphase – energetisch, positiv, das Glas immer halbvoll. Ich weiss nicht, welche Möglichkeiten wir hätten, wenn wir uns immer in diesem hormonellen High befinden würden (die Weltherrschaft scheint jedoch eine reale Option zu sein), aber ich weiss, wie viel glücklicher ich bin, wenn ich ausgeglichen bin.
Und darin liegt wahrscheinlich der Schlüssel. Ich versuche, bewusster wahrzunehmen, welche Dinge in meinem Leben wirklich meinen Ärger verdienen. Ich möchte mich in Ausgeglichenheit üben, denn die Welt, in der wir leben, überfordert mich so oft. Radikale Ruhe scheint mir da eine gute und gesunde Form der Rebellion zu sein.
In der Philosophie landet man hier schnell bei den Stoikern. Die sagen: Es gibt nur zwei Kategorien von Dingen – die, die wir kontrollieren können, und die, die wir nicht kontrollieren können. Ein gebrochener Flipflop? Nicht kontrollierbar. Parmesan-Schneesturm auf frisch geputzten Boden? Ebenfalls nicht.
Was ich jedoch kontrollieren kann, ist, ob ich mir den Rest des Tages von diesen kleinen Unfällen verderben lasse. Die Stoiker raten uns, unser eigenes Glück in den Mittelpunkt zu stellen, anstatt es von äusseren Faktoren abhängig zu machen. Kein Wunder also, dass wir uns gerade in Krisenzeiten stärker zur Philosophie der Stoa hingezogen fühlen. (Zu diesem Thema kann ich übrigens diese Sendung der «Sternstunde Philosophie» sehr empfehlen.)
Ich möchte also weiterhin an meiner Gelassenheit arbeiten. In Stresssituationen möchte ich mich fragen: «Ist dieser Ärger in zehn Minuten noch relevant?» Ich möchte noch besser lernen, Dinge, die ich nicht kontrollieren kann, zu akzeptieren.
Die Frage bleibt allerdings, wie sich dieses Prinzip des stoischen Glücks mit PMS vereinbaren lässt. Seneca und Co. haben dafür keine wirkliche Anleitung. (I wonder why?!)
Aber vielleicht liegt die Antwort auch hier in der Akzeptanz, dass diese hormonellen Phasen dazugehören. Und dass nur eines hilft: radikale Ruhe.
Frage der Woche
Hier an dieser Stelle behandle ich Fragen aus meinem Podcast, die mir die Community stellt. Ihr könnt mir Fragen via Voicemessage auf Instagram senden oder per Mail.
Diese Woche hat meine Zuhörerin Anna gefragt:
«Gibt es so etwas wie Sommermelancholie wirklich? »
Eine kurze, wissenschaftliche, Recherche ergibt: Ja. Es gibt die Sommermelancholie, auch genannt «Sommer SAD». Laut der Washington Post hat der renommierte Psychiater Norman Rosenthal von der Georgetown University School of Medicine bereits 1984 auf das bis heute noch recht unerforschte Phänomen aufmerksam gemacht. Demnach können Hitze, Feuchtigkeit und Pollen im Sommer zu Traurigkeit und Insomnia führen.
Doch diese Erklärung greift für mich zu kurz. Denn Sommermelancholie kann auch dann auftreten, wenn man körperlich gesund ist, genug schläft und keine Allergien hat. Sie kann einen überfallen, obwohl man im Urlaub ist, das Wetter perfekt ist und objektiv alles stimmt.
Und um diese Ebene zu erklären, müssen wir – mal wieder – Taylor Swift zu Rate ziehen.
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- Ein Podcast, der mich überrascht hat
- Ein Spritz, den ich diesen Sommer noch öfters geniessen will
- Ein Song, der perfekt zur Sommermelancholie passt
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