Was für eine Woche! Ich kann noch immer kaum glauben, was in diesen Tagen alles passiert ist. Ich durfte meinen Podcast und Newsletter in der wunderbaren Hiltl Akademie in Zürich feiern, ich konnte meine erste Podcastfolge mit euch teilen (hier geht's zum YouTube-Kanal) und nun erhaltet ihr meinen ersten Newsletter.

3,2,1 - Launch! (Foto Jonathan Labusch)
Das ist alles sehr aufregend und überwältigend zugleich. Denn die Welt an sich ist ja gerade schon so überwältigend.
Neulich hat mich eine Freundin gefragt, ob es angesichts der aktuellen Weltlage noch angemessen ist, happy Aperitivo-Fotos oder Schnappschüsse von hippen Events auf Instagram zu posten. Sie befürchtete, dass ihre Follower das als geschmacklos empfinden könnten. Kurz danach sprach ich mit einer Freundin aus den USA. Sie wiederum meinte, sie spüre in ihrer linksintellektuellen Bubble in New York einen regelrechten Hunger nach Leben. Ganz im Sinne von: Wenn alles brennt, ist vielleicht gerade jetzt der Moment, die grosse Party zu feiern. Doch noch ein Kind zu bekommen. Ein eigenes Start-up zu gründen. Einfach das Leben irgendwie mit mehr Leben zu füllen.
Diese Gespräche haben mich an die Pandemie erinnert. Damals wurde uns allen die Verletzlichkeit der Welt auf brutale Weise bewusst – und wir sehnten uns nach den einfachen Dingen. Nach Nähe. Nach Alltag. Nach ein bisschen Normalität. Momentan sehne ich mich nach einer Welt, in der nicht mehrere Kriege gleichzeitig toben. Ich sehne mich nach Frieden. Mir ist bewusst, dass das wie ein Song von John Lennon klingt, aber ich fühle mich von der Brutalität der Welt im Moment schlicht überfordert.
Vielleicht ist das der Grund, weshalb mir die Bilder von der dreitägigen Hochzeitsparty von Jeff Bezos und Lauren Sánchez in Venedig so sauer aufstossen. Während meine Freundin überlegt, ob ihr Instagram-Post angebracht ist, fliegen die Superreichen aus aller Welt in Privatjets nach Italien. Wir sehen, wie Kardashians & Co. über den Kanal schippern und den Leuten auf den Strassen königlich zuwinken. Let them eat cake, richtig? (Ich bin übrigens gespannt, wie Leonardo DiCaprio diese Reise mit seinem Image als Klimaaktivist vereinbaren wird.)
Kellner:innen und Crew-Mitglieder mussten Schweigepflicht-Verträge unterschreiben, aber natürlich sickerten trotzdem Details durch. Laut der «New York Times» sollen für die dreitägigen Festivitäten allein 90 Privatjets am Flughafen in Venedig landen. Das Paar hat fast die gesamte Wassertaxi-Flotte in der Stadt gemietet, dazu werden sieben Yachten andocken. Die Hochzeitsfeierlichkeiten sollen gemäss Reuters über 50 Millionen Dollar kosten – und das in einer Stadt, die längst unter der Last des Tourismus ächzt. Luigi Brugnaro, der Bürgermeister der Stadt, sieht darin jedoch kein Problem. Ganz im Gegenteil, er ist begeistert von dem Spektakel. Er rechne damit, dass die Hochzeit der Stadt Millionen bringe, erklärte er der Lokalausgabe des «Corriere della Sera».
Seit Tagen demonstriert eine Gruppe von Italiener:innen mit dem Slogan «Kein Platz für Bezos» gegen die Feierlichkeiten. Im Kanal trieben Plastikpuppen, die den Amazon-Gründer darstellen, und am Glockenturm der Kirche San Giorgio wurde ein Transparent mit einem roten Kreuz über dem Namen des Milliardärs ausgerollt. Eine Lehrerin, die die Demonstrationen mitorganisiert hat, erklärte dem «Guardian» gegenüber, dass sie vor allem von der Politik in Venedig enttäuscht sei.«Unsere Stadt ist an den Meistbietenden verkauft worden», sagt sie. Wie die Stadt von dieser Hochzeit nachhaltig profitieren solle, sei ihr ein Rätsel.
Ich kann ihre Frustration gut nachvollziehen. Dieses Spektakel wirkt komplett geschmacklos. Nicht, dass ich mich je mit den Lebensstil von Bezos hätte identifizieren können. Aber in einer Zeit, in der Menschen weltweit unter Krieg, Armut und Klimakatastrophen leiden, erscheint diese Hollywood-Inszenierung vor der Kulisse Venedigs einfach nur bizarr.
Bin ich deshalb der Meinung, dass ein Instagram-Post vom sommerlichen Apéro unangebracht ist? Nein, vielleicht ist er sogar notwendig. Es ist kein Statement zur Weltlage, sondern ein leiser Versuch, uns selbst daran zu erinnern, dass wir am Leben sind. Mit dem feinen Unterschied, dass wir nicht vergessen, was um uns herum passiert.
Ich stosse auf all die Dinge an, die ich diese Woche erleben durfte. Das mache ich bewusst – und vor allem sehr dankbar.
Danke, dass du hier bist!
Frage der Woche
Hier an dieser Stelle behandle ich Fragen aus meinem Podcast, die mir die Community stellt. Ihr könnt mir Fragen via Voicemessage auf Instagram senden oder per Mail. Diese Woche hat eine Zuhörerin gefragt:
Wie lebe ich als kinderfreie Person in einer Welt, die auf Familien ausgerichtet ist?
Eine ähnliche Frage hatte ich mir kürzlich ebenfalls gestellt, als ich in Zürich in einen Bus einstieg. Ich stand da, vollgepackt mit einem Koffer und zwei Reisetaschen. Als der Bus kam, schob sich eine Frau mit Kinderwagen recht forsch und ohne ein Wort oder Blickkontakt an mir vorbei. Ich taumelte kurz und wäre beinahe über meine eigenen Taschen gestürzt.
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